Was ist German Angst? German Angst bezeichnet den wahrgenommenen Charakter von Deutschland. Wir gelten in Bezug auf politische und gesellschaftliche Veränderungen als sehr reserviert.
Die German Angst ist als urdeutsches Charakteristikum in der Literatur verewigt* (z.B. Thomas Wolf „Es führt kein Weg zurück“, 1940).
Genau diese German Angst steht uns immer und immer wieder breitbeinig und selbstsicher im Weg herum. So auch beim Thema Digitalisierung. Die Unmenge an FUD (Fear, Uncertainty & Doubt), die zur Digitalisierung kursiert, hat unbegreifliche Ausmaße. Jeder, so scheint mir, hat Angst, Unsicherheiten und Zweifel, aber keiner erklärt etwas. Kollektiv starren wir, wie der sprichwörtliche Hase auf die Schlange, namens ‚Digitalisierung’.
Wunderschön zu sehen war das letzte Woche bei „Jetzt red I“ einer etablierten Bürger-Fernsehsendung vom Bayerischen Rundfunk. Ich hatte eine der Karten ergattert und durfte dem Spektakel in Schweinfurt beiwohnen. Als Gäste anwesend waren Klaus Ernst, MdB DIE LINKE und die bayerische Staatsministerin für Arbeit und Soziales, Familie und Integration Emilia Müller, CSU. Nach 45 Minuten in denen Arbeitgeber auf Politiker, Arbeitnehmer auf Arbeitgeber, Arbeitnehmer auf Politiker, Verbände auf Arbeitnehmer, Arbeitnehmer auf Verbände, Verbände auf Politiker… jeder gegen jeden, in einer Endlosspirale verbal aufeinander eingedroschen hatten, blieb bei mir eigentlich nur eines zurück: Die Überzeugung, dass bei uns etwas gehörig falsch läuft.
Jeder hat anscheinend Angst der Eine könnte den Anderen übervorteilen, drei Euro mehr auf dem Konto haben, unfair behandelt werden und so weiter und so fort.
Klar, „Digitalisierung“, das ist ein schwammiger, schwer greifbarer Begriff und der damit verbundene gesellschaftliche Wandel macht es einem leicht einfach den Kopf in den Sand zu stecken. „Das wird mich schon nicht betreffen…“
Falsch. Auch wenn der Vergleich schon einen Bart hat. Digitalisierung ist die Dampfmaschinenrevolution unserer Zeit.
Die Digitalisierung hat schon Einzug gehalten, sie ist da und wenn sie in manchen Bereichen noch nicht da ist, dann wird sie kommen, unaufhaltsam.
Die Digitalisierung hat Einzug gehalten und wir alle stehen in der Verantwortung: Die Arbeitnehmer, die Arbeitgeber, die Politik und die Verbände. Also warum setzen wir uns nicht gemeinsam hin und schauen, wie wir das Beste aus der Situation machen?
Was ich mir wünsche: Mehr Mut.
Mehr Mut zur Lücke:
Wenn die Politik in einem Bereich keine Ahnung hat: Holt Euch Experten dazu, lasst Euch anständig beraten. Warum als Politiker nicht auch mal zugeben: „Davon habe ich keine Ahnung. Wir holen uns Expertise.“ Statt ausweichend zu antworten?
Mehr Mut zur Bildung:
Der Ruf nach einer Programmiersprache oder IT als Pflichtfach ist schon steinalt. Der Ruf nach dem Aufbau von Medienkompetenz schon in den Grundschulen ist noch älter. Wir müssen in den Schulen digitale Basiskompetenzen vermitteln.
Mehr Mut zur Weiterbildung:
Es gilt Ängste wahrzunehmen, zu entkräften und nicht wegzudiskutieren, sondern mit dem Aufbau von Kompetenzen abzubauen. Nur mit der Möglichkeit sich zu informieren und weiterzubilden schaffen wir das.
Mehr Mut zur Investition:
- Wir brauchen anständige Bandbreiten, flächendeckend.
- Unsere Schulen hinken technologisch weit hinterher, hier muss investiert werden.
Mehr Mut zu Europa:
Europa ist nur gemeinsam stark. Wieso Insellösungen entwickeln? Die Datenschutzgrundverordnung vereinheitlicht das Datenschutzrecht in ganz Europa. Warum vereinheitlichen wir nicht auch die Cybersecurity Thematik?
Mehr Mut zur Verantwortung:
- Hoheitliche Aufgaben, wie der Kampf gegen illegale und rechtswidrige Inhalte sollte der Staat wahrnehmen und nicht auf die Anbieter abwälzen.
- Und ganz ehrlich, wieso diskutieren wir überhaupt noch ob wir ein Digitalministerium brauchen?
Demokrit soll gesagt haben: Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende.
Vielleicht verdrängen wir ja mit unserem Mut die Angst aus der Literatur.